Schönbrunn (Drei Gedichte)

von Hilda Bergmann (1878–1947)

Schönbrunn

In diesem Garten schlummert noch Alt-Wien.
Wie einstens steigt das Wasser der Fontänen
Und perlt nieder zu den blassen Schwänen,
Die ihre träumerischen Kreise ziehn.

Und hüllt den moosbewachsenen Delfin,
An dem verwitterte Najaden lehnen
In einen Schleier wie von tausend Tränen,
Die langsam in die grüne Tiefe ziehn.

Wird plötzlich nicht der tiefe Schlummer enden?
Ist hinter den verschnittnen Taxuswänden
Nicht junges Volk zum Schäferspiel versteckt?

Die kleinen Amoretten stehn und lauschen – –
Doch nur des Springquells monotones Rauschen
Erfüllt den Park. Alt-Wien bleibt unerweckt.

Nymphe in Schönbrunn

Als wären sie aus Stein, die grünen Mauern,
so stehn sie hart ins blasse Blau gebannt:
vom Sonnengold umfasst und hell gerändert,
seit Urgroßvätertagen unverändert
und alle zu dem gelben Schloss gewandt,

das weltverloren, mit geschloss’nen Lidern
inmitten all des grellen Lichtes steht,
ein alter Träumer, dem das Spiel des Lebens
umsonst den Fuß umschmeichelt, dem vergebens
ein fremd Jahrhundert um die Stirne weht.

Und mit ihm träumt der ganze weite Garten.
Nur eine Nymphe beugt sich vor und späht,
das Auge von der Marmorhand beschattet,
und wartet Tag um Tage unermattet,
ob nicht die alte Zeit  vorübergeht.

Herbst in Schönbrunn

Verschwenderische Tage und Gebärden,
Wenn alle Sträucher Gold und Purpur tragen
Und wenn die alten Bäume Fackeln werden,
Aus denen lichterloh die Flammen schlagen.
Den Park erfüllt ein Leuchten, Glühen, Prangen,
Ein Farbenrausch durchzittert die Alleen,
Und leisen Fußes kommt der Herbst gegangen,
Im Blätterrieseln, um sein Werk zu sehen.

Er rührt mit leichtem Finger die Platanen,
Damit ihr gelber Regen niederflute,
Er nimmt den Ulmen ihre bunten Fahnen
Und winkt, dass sich der wilde Wein verblute;
Und in die Brunnen, über die Amphoren
Verstreut er händevoll die vielen losen
Braungoldnen Blätter und bekränzt die Horen
Und Grazien damit, anstatt mit Rosen.

Dann spinnt er blaue Schleier um die Gänge,
Die vielverschlungen ineinandertauchen,
Lässt der Fontänen heitere Gesänge
Mit einem Mal verstummen und verhauchen,
Spielt mit der Trauerweide langen Haaren
Und mit der Birken flimmernden Gewändern.
Und in den Lüften ziehn die Wanderscharen
Der wilden Vögel nach den Sonnenländern.


Textnachweis
Schönbrunn, aus: Neues Frauenleben, XXIV. Jg, Heft 10, Oktober 1912, S. 279.
Nymphe in Schönbrunn, aus: Moderne Welt, Jg. 1924, Heft Nr. 24, S. 7.
Herbst in Schönbrunn, aus: Jugend, Jg. 1923, Heft Nr. 21, S. 618.
(Die Orthografie wurde der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst, die Interpunktion behutsam modernisiert. Offensichtliche Satz- und Druckfehler wurden stillschweigend ausgebessert.)

Titelbild
Detail aus: Josephine Siccard-Redl, Schönbrunn

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