von Margarete Beutler (1876–1949)

I.
Was frommt mir Mannesglut und Kuss!
Ich hab’ soviel getrunken,
Dass mir vielleicht ein Überdruss
Darob ins Blut gesunken.
Ich brenne so nach besserm Wein –
O brünstiges Verlangen:
Mich lüstet es, ein Wind zu sein
Und Erde zu umfangen.
Zu wehen über Moor und Moos
Zu dürstenden Geländen
Und aller Scham und Grenzen los,
Die Seele zu verschwenden! –
II.
Ich tanze durch den wilden Tann,
Durch den die Sterne bluten –
Zeitlos – – und mit mir tanzen dann
Die Jahre wie Minuten.
Ich tanze, und es quillt vom Hag
In grauenvoller Süße:
Ein Leben, fremd dem roten Tag
Winkt mir entzückte Grüße!
Viel Seelen – Seelen, längst enttan
Den irdischen Gelüsten
Kamen im stillen Nebelkahn
Von unerkannten Küsten – –
Und tanzen so wie ich durchs Land,
Der Ewigkeit den Reigen
Und sind mir lieb und stammverwandt,
Lächeln und schweigen! – –
Der Wald versinkt, der Mond rauscht auf,
Und alles steht im Glanze,
Dieweil ich Zorn und Groll zuhauf
Zertanze ………
III.
Mir ist, ich trage rote Schuh,
Muss tanzen, tanzen immerzu …
Es quillt das Laub, das Laub welkt hin,
Wer sagt mir, ob ich glücklich bin?
Ich weiß es nicht! – Mein Kind wird groß,
Die roten Schuh’ werd’ ich nicht los.
Sie tanzen Nacht und tanzen Leid
Und wildes Licht und Seligkeit – –
Bis mich der Mann, der meiner wert,
Herr Henker Tod, zum Weib begehrt,
Der, in die kleinen Schuh verliebt,
Sie lächelnd in die Tasche schiebt …
Textnachweis
Aus: Neue Gedichte von Margarete Beutler, Berlin 1908, S. 55–57. (Die Orthografie wurde der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst, die Interpunktion behutsam modernisiert. Offensichtliche Satz- und Druckfehler wurden stillschweigend ausgebessert.)
Titelbild
Detail aus: Hilma af Klint, Die zehn Größten, Nr. 3 – Jugend, 1907
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